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16/6/2025

Willkommen im Hundeprofi-Paradies

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Willkommen im Hundeprofi-Paradies
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Eine Feldstudie zwischen Trainingsresistenz und Bildungsillusion
 
Neulich in der Einzelstunde:
Ich erkläre, zeige, motiviere – und schicke danach einen strukturierten Trainingsplan. Kein seelenloses PDF, sondern eine handverlesene Anleitung, massgeschneidert und praxiserprobt. Ein Werk mit Liebe zum Detail, irgendwo zwischen methodischem Feinschliff und pädagogischer Präzision.

Zweite Stunde. Die Kundin schaut mich freundlich an, ein wenig überrascht:
„Ach so… ich wusste nicht, dass ich etwas tun muss.“
 
Ah ja. Verzeihung, mein Fehler. Natürlich.
Der Trainingsplan war offenbar als symbolisches Dokument gedacht. Wie ein Friedensvertrag zwischen Couch und Hund – man hängt ihn an den Kühlschrank, bestaunt ihn morgens beim Kaffeekochen, aber bitte keine Handlung ableiten. Um Gottes willen.
 
Und während ich noch innerlich nach der Notbremse greife, dämmert mir:
Das ist kein Einzelfall. Das ist ein System! 

Es gibt da draussen viele neue Formen des Hundetrainings. Und eine davon heisst: Füttern statt führen.
 
Bevor Missverständnisse entstehen: Ich bin kein Gegner von Futter in der Ausbildung. Ganz im Gegenteil. Futter ist ein wertvolles Werkzeug im Training, wenn es gezielt, sinnvoll und im richtigen Moment eingesetzt wird. Was ich jedoch beobachte, ist die Verschiebung: vom Mittel zum Zweck. Von der Verstärkung zur reinen Fütterung – ohne Training, ohne Aufbau, einfach nur bessere Ernährung im Wohnzimmer. Kurz: Wichtiger als jede Erziehung ist das Premiumfutter – biologisch angebaut, mit marketingoptimierten Zutaten und Kräutern aus der Kristallkugel.“

Man ersetzt Struktur durch Snacks, Orientierung durch Ochsenziemer, Beziehung durch Belohnungshäppchen in pastellfarbenen Dosen. Je weniger funktioniert, desto hochwertiger das Futter. Wer keinen Rückruf hat, kauft Wildlachs. Wer keine Leinenführigkeit hat, greift zu gefriergetrockneter Yakmilch.
Und wer Konflikte meidet, bestellt Lammfiletwürfel aus artgerechter Demut.
Erziehung wird zur Kalorienfrage.
 
Man tut dem Hund etwas Gutes. Und sich selbst auch. Denn das schlechte Gewissen ist bekanntlich besonders empfänglich für 100 g Belohnung pro Misserfolg.
Und falls jemand fragt, warum der Hund auf Ansprache nicht reagiert – kein Problem:
Der Futterlieferant weiss es bestimmt. Er hat schliesslich auch einen Hund. Und der kann alles – Zumindest auf dem Bild. 

Es überrascht also nicht, dass sich diese Entwicklung auch im Nachwuchs spiegelt: Ein nicht unerheblicher Teil der angehenden Hundetrainer:innen bringt eine Vision aus der Netflix-Dramaturgie mit – und den Bewegungsdrang einer Zimmerpflanze.“

Wenn ich sage: „Du musst das mit deinem Hund täglich üben – und das über Wochen“, sehe ich oft eine Gesichtsentgleisung wie bei einer religiösen Vorlesung.
Ja, man übt täglich! Wie Zähneputzen. Nur dass Konsequenz im Hundetraining leider nicht aus der Tube kommt – und man sich dabei ein bisschen freudiger und lebendiger verhalten sollte als ein Feuersalamander beim Sonnenbaden.

Manche schaffen es, das Prinzip Leinelaufen über Jahre hinweg erfolgreich zu umgehen – und bezeichnen ihre Arbeit dann stolz als „Verbindung auf Augenhöhe“.
Der eigene Hund? Zieht mit 35 Kilo durch die Stadt wie ein schlecht gelaunter Staubsauger mit Burnout. Aber hey – Hauptsache, der Hoodie sitzt fürs Insta-Reel und das Logo auf dem Auto passt zur Markenidentität.
 
Und während ich mich noch wundere, trudelt die nächste Absurdität ein:
Ein mitschwingender Kompetenzträger verlässt leise, aber bestimmt die Bühne eines bevorstehenden Auftritts – nicht ganz ohne dramaturgischen Beigeschmack.
Verständlich, es gab gesundheitliche Gründe.
Genauer gesagt: ein eingerissener Zehennagel beim Barfussgehen im Achtsamkeitspfad.
Aber nennen wir es beim Namen: Das Bühnenprogramm war… sagen wir… ambitioniert.
Und es ist erstaunlich, wie zuverlässig sich energetische Überforderung dann meldet, wenn das Programm knurrt und beisst. Oder anders gesagt: „Ich habe keine Idee, wie man das löst – und meine plötzliche Verhinderung kommt mir gerade recht. Aber bitte: Lasst mich weiterhin als Expert:in gelten.“

Vielleicht ist das neue Hundetraining gar kein Handwerk mehr, sondern eine Haltung.
Eine Attitüde. Eine warme Wolke aus Affirmationen, auf der man elegant an der Realität vorbeischwebt. Ohne Leine - Ohne Frust - Ohne Aufwand.
Der Beruf hat sich verändert. Früher kam man in diesen Job, weil man mit Hunden arbeiten wollte. Heute reicht es, wenn man einen Instagram-Account hat, einen Leckerlibeutel mit veganem Logo – und einen Hund, der gut aussieht, wenn man ihn nicht ruft.

Hundetraining ist kein Beruf für Selbstdarsteller mit Labradorfilter.
Es ist ein Handwerk. Ein ehrlicher, fordernder, manchmal unbequemer Beruf – für Menschen mit Bodenhaftung, Reflexionsfähigkeit und einer klaren Entscheidung für die Praxis.

Vielleicht bin ich der Letzte, der glaubt, dass Hundetraining mehr ist als reden.
Mehr als liken. Mehr als fühlen. Vielleicht bin ich wirklich der Letzte,
der denkt, dass Arbeit dazugehört, wenn man mit Hunden etwas bewegen will.
 
Anmerkung für alle, die sich ertappt fühlen:
Herzlichen Glückwunsch. Du bist auf dem richtigen Weg.
Weil Satire nur dann wirkt, wenn sie irgendwo weh tut.

Dieser Text ist selbstverständlich frei erfunden. Etwaige Ähnlichkeiten mit realen Personen oder Ereignissen wären rein zufällig. Ganz bestimmt. Wirklich.

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3/6/2025

Die Energiewende ist auch beim Homo sapiens angekommen

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Früher dachte er noch selbst. Heute fragt er lieber. Der moderne Homo sapiens hat nämlich erkannt: Eigenständiges Denken ist energieraubend – und wo Energie gespart werden kann, wird abgeschaltet.
Willkommen in der neuen Ära der geistigen Nachhaltigkeit.

Warum kompliziert denken, wenn man einfach fragen kann? Antworten sind heute jederzeit abrufbar – sekundenschnell, servierfertig und garantiert ohne Nebenwirkungen. Denken? Das macht jetzt die Cloud.

Die Devise: Nicht überlegen – übergeben.

Fragen wird zur intellektuellen Ersatzhandlung. Es fühlt sich klug an, ohne die unangenehmen Nebenwirkungen wie Zweifel, Recherche oder gar Selbstverantwortung. Wer fragt, signalisiert immerhin Interesse – und das reicht ja manchmal auch schon.

Dabei ist es gar nicht böse gemeint. Der Homo sapiens will ja lernen. Nur halt möglichst bequem. Und effizient. Und mit Erfolgsgarantie, bitte.

Doch Vorsicht: Bei längerer Anwendung kann es zu Nebenwirkungen kommen.
Zum Beispiel einer leichten Abhängigkeit von fremden Meinungen. Oder dem Verlust der Fähigkeit, eine eigene zu entwickeln.

Aber hey – Hauptsache, die Denkbilanz bleibt ausgeglichen.
Denn auch im Kopf gilt inzwischen: Weniger ist mehr.
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    Beat Eichenberger

    Ich lebe mit meiner Partnerin und unserem Hunderudel im Kanton Zug und betreibe mit ihr eine Hundeschule. 

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