Was ist nur los mit unserer Gesellschaft?
Manchmal frage ich mich ernsthaft, ob wir verlernt haben, Verantwortung für unser eigenes Leben zu übernehmen. Jeder will mehr – mehr Erfolg, mehr Anerkennung, mehr Glück – aber bitte mit minimalem Einsatz. Investieren? Dranbleiben? Üben? Lieber nicht. Stattdessen wird von einer Gelegenheit zur nächsten gehuscht, ohne Tiefe, ohne Substanz. Wenn etwas nicht sofort klappt, wird gejammert, gezweifelt, geschimpft. Und natürlich sind immer die anderen schuld. Man masst sich an, anderen zu sagen, wie sie leben, handeln oder arbeiten sollen – doch selbst lebt man in einem Nebel aus Opportunismus und Selbstüberschätzung. Man ist überzeugt, alles zu wissen, alles zu können, ohne je wirklich etwas durchgezogen zu haben. Ich beobachte Erwachsene mit der Konzentrationsfähigkeit eines Kindes und dem Durchhaltevermögen eines überforderten Teenagers. Lernen? Ja – aber bitte nur im Rahmen. Kaum verlangt jemand echtes Denken, eine reflektierte Antwort oder ein sichtbares Ergebnis, heisst es plötzlich: „Ich bin kopfleer.“ „Kopfleer“ – das neue Schutzschild unserer Leistungsgesellschaft. Immer dann, wenn es ernst wird – wenn nicht mehr passives Dabeisein reicht, sondern echtes Denken, Mitgestalten oder Verantwortung gefragt ist – wird plötzlich die innere Leere bemüht. Man sei „kopfleer“, heisst es dann, als wäre das ein Freifahrtschein, um sich dem Anspruch zu entziehen. Doch wer nur dabei sein will, solange es bequem ist, wird niemals Tiefe erreichen. Und dann ist da noch dieses andere Phänomen: Zuhören – oder besser gesagt, das Unvermögen dazu. Es wird kaum noch richtig zugehört, geschweige denn bis zum Ende. Stattdessen wird mitten im Satz unterbrochen, vorschnell reagiert und nicht selten direkt zum Gegenangriff übergegangen. Am besten noch mit dem Anspruch, im Recht zu sein. Dabei würde ein Moment des stillen Zuhörens reichen, um zu merken, wie sehr man sich gerade selbst ins Abseits stellt. Provozieren ist zum Volkssport geworden, und Halbwissen wird mit erstaunlicher Selbstsicherheit als Meinungsmacht verkauft. Wer wenig Ahnung hat, spricht heute mit umso mehr Lautstärke – und erwartet dafür auch noch Respekt auf Augenhöhe. Vielleicht sind es genau die, die sich nach einer Impfung gegen Anstrengung und Eigenverantwortung gesehnt haben – und jetzt mit der falschen leben müssen. Einer, die alles abwehrt, was Wachstum bringt.
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Beat EichenbergerIch lebe mit meiner Partnerin und unserem Hunderudel im Kanton Zug und betreibe mit ihr eine Hundeschule. Archives
Mai 2025
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